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es ist immer noch ein Tabuthema

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Hallo zusammen,

ich möchte mich kurz vorstellen. Ich bin 60 Jahre alt und habe mich vor knapp 28 Jahren von meinem Mann getrennt. Einem Mann, für den das Thema selbst tabu war, ein Mann, der es sich selbst NIE eingestanden hat, ein Mann, der "normal" sein wollte. Und für den ich Verständnis hatte, damals, wenn man bedenkt, dass es in D noch bis in die 90-er u. U. strafbar war, schwul zu sein.

Und vor lauter Verständnis bin ich selbst ins Hintertreffen geraten.

Ich schreibe gerne mehr, wenn ich weiß, dass es jemanden interessiert.

 

Liebe trudi,

ich bin froh, dass sich jemand im Forum meldet.

Ich bin sehr interessiert an deinen Erfahrungen und wäre dankbar für  einen Austausch.

LG, Clara

Grüß dich Clara,

meine Erfahrungen sind leider recht mies, d. h. hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, Himmel, ich hätte einiges anders gemacht.

Dem was du schreibst, entnehme ich, du stehst an dem Punkt, an welchem du überlegst, wie es nun weitergeht. Wenn du möchtest, hier ein paar Denkanstöße für dich:

Was hält dich in/an dieser Partnerschaft? Ist es überhaupt eine Partnerschaft? Das Sexuelle mal außen vorgelassen, teilt ihr euer Leben wirklich?

Fühlst du dich wohl, seid ihr beide auf Augenhöhe?

Was erwartest du (noch) von deinem Leben?

Wenn du Fragen hast, dann frag!

 

Liebe Trudi,

ich mache mir auch schon viele Gedanken über diese Themen und Fragen. Aber es ist so, als würde sich alles in mir vor der (ehrlichen Antwort bzw.) Realität sperren und als wollte ich nicht zulassen, dass mein bisheriger Lebensentwurf so nicht funktioniert und dass ich aus meiner Komfortzone rauskommen muss. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll und was auf mich zukommt, aber ich bin nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen.

Welche Erfahrungen hast du denn nach der Trennung gemacht? Hast du noch Kontakt zu deinem Mann? Seid ihr lange ein Paar gewesen, bevor er seine schwulen Neigungen bemerkt hat? Was hättest du mit dem heutigen Wissen vielleicht anders gemacht?

Danke für deine Antworten und LG, Clara

 

 

 

Liebe Clara,

ich weiß, wie es dir geht. Du willst den Mann wieder zurückhaben, den du glaubtest, geheiratet zu haben.

Ich habe mich damals im zarten Alter von 20 Jahren in meinen direkten Vorgesetzten verliebt. 16 Jahre älter als ich, aber das war ok, da mein vorheriger Freund ein wahres Kind war und ich es leid war, ständig von seinen Eltern angesprochen zu werden um ihm zu sagen, was er wie tun soll etc.

Ich wollte einen richtigen, erwachsenen Mann.

Ist mir voll gelungen *Sarkasmus off*

Im Alter von 18 Jahren ist bei mir die Psoriasis ausgebrochen und ich war, natürlich, gehemmt, mich nackt zu zeigen. Ist ja nicht gerade erotisch, wenn man am Körper diese Plaques hat.

Und meinem Mann kam das damals sehr gelegen, Sex immer nur im Dunkeln und immer nur die Löffelchenstellung. Und ich Landei hab mir nix dabei gedacht, warum auch, ich war zwar hübsch, aber die Psoriasis.....

Nachdem das Pflichtprogramm erfüllt war, also 2 Kinder gezeugt, wars Essig mit Sex. Wir hatten damals eine sehr kleine Wohnung und ein sog. SchlaWoZi, also ein kombiniertes Schlaf-Wohnzimmer, nur mit Vorhang, keine Tür. Im nachhinein wurde mir so einiges klar, warum was wie gestaltet war.

Und, Frau fängt irgendwann an, zu spionieren, ich bin nicht stolz drauf, aber die Verzweiflung bringt einen dazu. Reden ging ja nicht, er hat sich kpl. gesperrt.

Er war im Bad, hat sich gewaschen, er ging immer mit Zigarette ins Badezimmer, ich mit einen Stuhl genommen und oben durch die Lüftungsschlitze geguckt, und da sehe ich, wie er am Waschbecken onaniert und daneben eine Zeitschrift mit nackten Männern.

Da hatte ich erstmal was zum nachdenken.

Im Nachhinein kann ich sagen, dass er schon wußte, dass er schwul ist, als er mich geheiratet hat. Er wollte es aber vor sich selbst nicht wahrhaben und hat es unterdrückt. Meines Wissens hatte er nie mit Männern Sexkontakt. Er wollte "normal" sein, Frau und Kinder haben, basta. Und in mir hatte er seine Pseudo-Frau gefunden.

Ich mach mal Pause, es wühlt mich immer, auch nach den vielen Jahren, noch sehr auf

ich mach mal nen Schnelldurchlauf. Nach einem gescheiterten Versuch, es nochmal miteinander zu versuchen (scheiterte u. a. weil ich es nicht ertragen habe, dass er mich angefasst hat), hab ich mir einen Halbtagsjob und eine Wohnung gesucht. Wurde von ihm nicht ernst genommen, habs aber geschafft. Bin mit meiner Tochter ausgezogen, Sohn blieb beim Vater. Nach dem Kindergarten hab ich meinen Sohn abgeholt und er war dann bis abends jeden Tag bei mir. Wochende hatten wir wechselweise die Kinder.

Ich hatte von ihm vorher das Angebot bekommen, mir eine kleine Wohnung zu suchen, tagsüber die Kinder zu betreuen und abends dann holt er sich ab und sie wohnen bei ihm. Das wollte ich aber nicht.

Da ich mich mitschuldig am Scheitern der Ehe fühlte sind wir bei Familienfesten, um des lieben Friedens willen, immer gemeinsam erschienen. Es war bekannt, dass wir offiziell getrennt leben, aber wir waren/sind ja Eltern.

Als dann mein Sohn 18 war habe ich den Kontakt zum Vater abgebrochen, Sohn ist weiter weg gezogen, Tochter (sie ist die Ältere) ebenfalls. Als mein Ex sich dann den Fuß gebrochen hatte, ja, ich bin für ihn einkaufen gegangen, schön nach Einkaufszettel und den Angeboten, welche er wollte.

Er hatte einen Schlaganfall und meine Tochter hat ihn in die Stadt, in welcher sie nun lebt, in ein Pflegeheim geholt, er hatte dann noch einen zweiten Schlaganfall und..... ist seit 7 Jahren tot. Ich habe es damals nicht geschafft, nein, ich wollte nicht auf die Trauerfeier. Haben mir meine Kinder wohl übel genommen.

Mein Sohn hatte aber schon vorher den Kontakt zu mir abgebrochen, aber auch zu seiner Schwester besteht kein Kontakt.

Mit meiner Tochter hab ich zu den "üblichen" Zeiten Kontakt, Ostern, Weihnachten, ihrer und Enkelingeburtstag. Mein Geburtstag wird gerne vergessen.

Mein Fazit:

Für Außenstehende und für Kinder ist immer derjenige schuld, der aus der Ehe ausbricht. Das warum und wieso weiß ja keiner, es wird nicht offen kommuniziert.

Ach so, mein Sohn hatte mich im Teenageralter mal gefragt, ob sein Vater schwul sei, er hatte im PC-Verlauf so Seiten gesehen.... Habe ihm gesagt, dass er das seinen Papa selbst fragen soll, nur sein Vater kann ihm das beantworten. Ob er eine Antwort erhalten hat? Keine Ahnung.

 

 

so, alle die mitlesen, kennen nun mein "Geheimnis", es weiß ja keiner sonst. Ja, mein Lebenspartner, den ich kurz nach der Trennung kennengelernt habe, er weiß es, aber er ist der Typ Frohnatur, Haken dran und gut ist.

Es macht mir, auch nach all den Jahren, sehr zu schaffen, wie sehr, war mir nicht bewußt, bis gestern, als ich hier das aufgeschrieben hatte und dann abgebaut hab, von jetzt auf gleich wahnsinnige Kopfschmerzen, Schwindel und Herzrasen.

Ich denke, ich brauche jemanden, der mir sagt, dass er mich versteht.

Etwas zu wissen ist eine Sache, es dann auch umzusetzen, eine andere. Ich weiß, dass ich nichts dafür kann, diesen Mann geheiratet zu haben und dass ich diese Ehe nicht weiterführen konnte. Es muss nur noch in meinen Kopf richtig ankommen.

Danke fürs lesen

vergessen...

Ich hasse regelrecht die Gesellschaft, die einen Menschen dazu bringt, sich selbst zu verleugnen, nicht zu sich selbst zu stehen und damit andere ins Unglück zieht. Es hat sich  ja schon viel getan, aber es ist noch lange nicht ok.

Liebe trudi,

deine Geschichte macht mich sehr traurig. Du warst so stark, hast den Mut gehabt, dich zu trennen und dich auf deine eigenen Beine zu stellen und du warst v.a. immer loyal zu deinem Ex-Mann. Er hatte nicht den Mut sich zu outen und du hast das alles mitgetragen - selbst auf deine eigenen Kosten, da euer Umfeld scheinbar dir die "Schuld" für die Trennung gab! Hut ab vor dir!

Es tut mir sehr leid, dass der Kontakt zu deinen Kindern abgebrochen ist. Hast du ihnen selbst nach dem Tod deines Ex-Mannes nicht die Wahrheit gesagt? Vielleicht hätte es dir die Last, die du alleine trägst, etwas genommen? Ich hoffe, dass du in deinem jetzigen Partner einen Halt hast und er dich dabei unterstützt das alles zu verarbeiten. Dass dich das nach all den Jahren noch so aufwühlt, zeigt, wie tief die Verletzungen sind.

Ich bewundere dich dafür, dass du die Kraft hattest, die Beziehung zu beenden. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe - und dass, obwohl mein Mann Kontakte zu anderen Männern aufrechterhalten will. Ich weiß noch nicht, was das mit mir macht, wenn es wieder dazu kommt. Aber ich habe große Angst davor...

 

meine Tochter will nicht drüber sprechen und wie schon geschrieben, zu meinem Sohn besteht gar kein Kontakt mehr.

Ich mach mir mittlerweile meinen Reim so drauf, dass ER eine Familie wollte und meine Kinder auch. Irgendwie scheint er sie beeinflußt zu haben, ich habe keine Ahnung. Ich jedenfalls habe ihn nie bei den Kindern schlechtgemacht.

Und ich bin diejenige, die die Familie quasi zerstört hat. Mein Sohn hat jetzt seine eigene Familie, meine Tochter ebenfalls d. h. meine Tochter ist mit dem Vater meiner Enkelin liiert, der widerun hat 3 Brüder und es ist ein großer Familienclan.

Da kann ich nicht mithalten.

Clara, ich danke dir für deine Worte.

Ich denke, hätte sich mein Ex geoutet, hätte er richtigen Kontakt mit Männern gehabt, puh, das Leben wäre einfacher gewesen, da er evtl. entspannter gewesen wäre. Ist aber nur eine Vermutung. Er hat sich ja dagegen gewehrt, er wollte nicht "so" sein. Das zermürbt einen Menschen und er wird garstig anderen gegenüber bzw. ich habs abbekommen.

Wieso traut sich Frau verdammt nochmal nicht, offen Tacheles zu reden? Anderen zu sagen, dass der eigene Mann schwul ist. Ist doch nichts dabei, schwul zu sein, oder?

Genau da liegt der Hase im Pfeffer, es ist leider immer noch nicht normal, dass ein Mensch lieben kann, wen er will.

Ja, ich hab mich auf die eigenen Beine gestellt, ich habe nie Unterhalt von ihm angenommen, lediglich etwas für die Kinder. Wir waren nie bei einem Rechtsanwalt, eine Scheidung, damit hätte ich ihm richtig wehtun können.

Wir waren getrennt lebend. Meinem Lebenspartner machte das nichts aus; jetzt ist mein offizieller Status Witwe und ich erhalte die große Witwenrente. Ich sehe es als Schmerzensgeld und nehme es, ohne jegliches schlechte Gewissen.

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